Kein Ende der Warenvernichtung

Umweltministerin hat weiter keine Lösung

Fr., 09. Apr 2021

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte die Vernichtung neuwertiger Ware eigentlich beenden. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage von Bettina Hoffmann zeigt jedoch: Auch knapp zwei Jahre nach der Ankündigung fehlt noch immer jede rechtliche Handhabe, der Vernichtung von Neuwaren einen Riegel vorzuschieben.

Eine halbe Milliarde Kleidungsstücke könnte vernichtet werden

Nach Schätzungen der Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) bleiben durch die Schließungen des Einzelhandels aufgrund der Corona-Pandemie bis zu 500 Millionen Kleidungsstücke der Winterkollektionen in Deutschland unverkauft.

Einige Hersteller haben bereits angekündigt, dass sie unverkaufte Ware aus dem Corona-Lockdown nicht vernichten wollen – was mit der unverkauften Winterkleidung passieren wird, bleibt aber unklar. Der günstigste Weg für die Hersteller ist oft die Vernichtung.

Schon vor dem Corona-Lockdown landeten jedes Jahr mindestens 230 Millionen neuwertige, nicht verkaufte Bekleidungsstücke im Schredder, wurden verbrannt oder gingen als Billigware in Staaten außerhalb der EU. Auch im Online-Handel werden Retouren häufig vernichtet: 2018 landeten 19 Millionen retournierte Artikel im Schredder, bei knapp der Hälfte davon wäre eine Wiederaufbereitung technisch möglich gewesen.

Kein Ende der Vernichtung von Waren in Sicht.

Im Juni 2019 hat Bundesministerin Schulze eine Gesetzesänderung angekündigt, um rechtlich gegen die unmittelbare Vernichtung von Retouren oder sonstiger Neuwaren vorgehen zu können.

Tatsächlich hat das Bundeskabinett im Februar 2020 eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beschlossen, mit der eine Obhutspflicht für Hersteller und Händler eingeführt wird.

Die Obhutspflicht soll dafür sorgen, dass gebrauchsfähige Ware nicht zu Abfall wird. Allerdings ergibt sich aus der Regelung im Kreislaufwirtschaftsgesetz keine rechtliche Verbindlichkeit. Die Regelung entfaltet „allenfalls Vorwirkung für freiwillige Lösungen. Soweit es um erzwingbare Rechtspflichten geht, muss die Obhutspflicht jedoch durch Rechtsverordnung umgesetzt werden."

Umweltministerin kann zwei Jahre nach Ankündigung immer noch keine Lösung präsentieren

Eine entsprechende Rechtsverordnung auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes liegt bis heute – fast zwei Jahre nach der ersten Ankündigung der Umweltministerin – immer noch nicht vor. Ob und wann diese Verordnung kommen wird, ist unklarer als je zuvor.

Die Bundesregierung sieht nun zunächst eine weitere Hürde, die es durch eine zweite Verordnung zu lösen gilt: "Zur Vorbereitung einer solchen Rechtsverordnung ist zunächst die Herstellung von Transparenz [...] notwendig, damit der konkrete Handlungsbedarf deutlich wird." Dies ist einigermaßen absurd, da die Problematik ja nun wirklich hinreichend bekannt ist. Wann diese Verordnung vor der Verordnung kommen soll und wie sie ausgestaltet werden soll, ist ebenfalls noch vollkommen unklar.

Bettina Hoffmann: „Gebrauchsfähige Güter werden in einem grotesken Ausmaß vernichtet."

Die von Svenja Schulze stolz beworbene Verankerung einer Obhutspflicht im Kreislaufwirtschaftsgesetz ist eine reine Shownummer. Es fehlt bis heute jegliche rechtliche Handhabe, um die Vernichtung von Waren zu stoppen. Die Umweltministerin rühmt sich mit einem Paragraphen, der nicht mehr ist als eine freundliche Erinnerung an die Hersteller, ihrer Produktverantwortung gerecht zu werden.

Die Bundesregierung muss jetzt eine verbindliche Rechtsverordnung auf den Weg bringen. Die Vernichtung von unverkaufter Waren, neuwertigen Retouren und gebrauchsfähigen Second-Hand-Produkten darf nicht länger eine legale Option sein.

Flankierend sind weitere Maßnahmen nötig: Wenn Händler gebrauchsfähige Produkte nicht mehr verkaufen können, müssen Spenden durch eine Umsatzsteuerbefreiung erleichtert werden. Außerdem sind klare Berichtspflichten erforderlich. Händler sollen offenlegen, wieviel Ware tatsächlich vernichtet wird.

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